Deutscher Vizemeister U20

Bei der DVM U20 wurde unser Team Vizemeister und erzielte damit das beste DVM-Ergebnis seit 13 Jahren. Nachfolgend ein Erlebnisbericht aus erster Hand von Max:

  • 22. Juli 2022. Endlich ist es soweit. Die Deutsche Vereinsmeisterschaft für unser U20-Team steht in den Startlöchern. Trotz Klausurenphase und Schacholympiade hat sich das ganze Team auf den Weg nach Kiel gemacht, mit dem Ziel, das erste Mal in der Vereinsgeschichte den Titel in der U20 nach Hause zu bringen.

Als viertgesetzte Mannschaft gehören wir durchaus zum Favoritenkreis, wobei Hamburg mit Starspieler GM Luis Engel den größten Titelanspruch hat. Sieben der 15 Teams haben einen DWZ-Schnitt von über 2000, wodurch man mit einem engen Kampf um die Podiumsplätze rechnen kann.

Mit drei Doppelrunden und einer abschließenden Morgenrunde gibt es, wie bei jeder DVM, ein sehr forderndes Programm. Aber das gesamte Team ist gut vorbereitet, unter anderem, weil man in den letzten Monaten gemeinsam in Island und Kroatien Turniere spielte.

Am ersten Tag gibt es jedoch noch keine Runde, weshalb man nach der Anreise Zeit fand, Kiel zu erkunden, Tischtennis zu spielen und in Ruhe zu essen. Nach der Vorbereitung für die erste Runde und einer Teamansprache von Kapitän Fabian ging es schließlich ins Bett.

  • 23. Juli 2022. In der ersten Runde tritt unser Team als klarer Favorit gegen die Schachfreunde aus Katernberg an, welche an den hinteren Brettern geschwächt sind, da sie gleichzeitig ein Team in der parallel stattfindenden U16 DVM aufstellen. Wir reisen mit sieben Spielern plus Kapitän an, daher musste einer von uns immer aussetzen. Den Anfang machte dabei Nikolay. So kommt es zu folgenden Paarungen:

SF Brackel (2071 DWZ) – SF Katernberg (1902 DWZ)
Ali Elier (2158) – Yakub Irklimez (2076)
Vitaly Garbuz (2098) – Nikita Gorainow (2016)
Raphael Kracht (2099) – Noel Gallas (1944)
Max Bartelt (2025) – Ole Beetz (1601)
Denis Skabs (2015) – Isabel Otterpohl (1685)
Erdogan Seref (2012) – Lukas Lüersen (1225)

Nominell also eine klare Nummer. Klar ist auch, welches Team das beste Outfit vorweisen konnte. Mit acht individuellen Hawaiihemden passte man sich perfekt den sommerlichen Temperaturen an der Ostsee an.  

Dass es schachlich keine klare Nummer werden würde, wurde unserem Team nach circa zwei Stunden bewusst, da erst Erdogan in der Eröffnung eine Dame verlor und anschließend Ali aufgrund einer taktischen Ungenauigkeit aufgeben musste. So stand es in unseren Köpfen also bereits 0:2 und die anderen Bretter hatten zu diesem Zeitpunkt keineswegs einen klaren Vorteil. Goldi drohte per WhatsApp schon das Team abzuholen, doch dann kam die Wende. Vitaly konnte seinen Gegner nach einem starken Qualitätsopfer besiegen, Raphael schaffte es, einen Bauern im Leichtfigurenendspiel zu erobern und diesen auch zum Sieg zu verwerten. Max schaffte es ebenfalls mit einem Mehrbauern im Endspiel zu gewinnen und Denis hat seine Gegnerin schnell taktisch bezwingen können. Somit wurde der Kampf am Ende doch gewonnen, aber die größte Überraschung geschah an Brett sechs, wo Erdogan, trotz Dame weniger, gewann, da sein Gegner einen leichten Trick übersah und Grundreihenmatt gesetzt wurde. Somit konnte man Runde 1 mit einem nicht ganz so souveränen 5:1 abschließen und sich den kommenden Runden widmen.

Während des Mittagessens wurde dann klar, dass wir es in bereits Runde 2 mit dem großen Titelanwärter aus Hamburg zu tun haben würden, da direkt zwei andere Favoriten in der ersten Runde gepatzt hatten. In der Mittagspause wurde natürlich das anstehende Spiel diskutiert, wir rechneten uns durchaus Chancen aus, wenn wir uns nur richtig zusammenreißen würden. Da es zwischen den Runden immer nur sehr wenig Zeit gibt, war auch keine perfekte Vorbereitung möglich, aber das gleiche galt für den Gegner, also sollte es keine Ausreden geben.

Schließlich war es um 15:30 Uhr soweit und wir versammelten uns zur zweiten Runde. Dieses Mal setzte Erdogan aus. Es kam zu folgender Paarung:

SF Brackel (2071) – Hamburger SK (2221)
Ali Elier (2158) – GM Luis Engel (2590)
Vitaly Garbuz (2098) – FM Tom-Frederic Woelk (2305)
Raphael Kracht (2099) – Henning Holinka (2185)
Nikolay Kartsev (2098) – Michael Kotyk (2148)
Max Bartelt (2025) – Lennart Meyling (2149)
Denis Skabs (2015) -Åke Fuhrmann (1985)

In Anbetracht der beiden Titelträger an den ersten beiden Brettern des Gegners mussten wir an den hinteren Brettern punkten oder auf Überraschungen vorne hoffen, um den Kampf zu gewinnen. Dass es mit einem Mannschaftssieg in dieser Runde sehr schwierig werden könnte, war eine halbe Stunde nach Spielbeginn offensichtlich. Ali hatte zwar materiell nichts weniger, wurde aber von seinem Gegner ziemlich eingedrückt und stand mit dem Rücken zur Wand. Nikolay wurde währenddessen mit dem Marshall-Angriff überrascht und fand sich nur schwer in dieser unbekannten Stellung zurecht. Die Zeichen standen hier auf Niederlage. Auch ein Brett weiter sah es zu Beginn schlecht aus, da Max in der Eröffnung etwas verwechselte und somit sehr defensiv stand und sich erst einmal befreien musste. Bei Vitaly sah es zunächst gut aus, da er sich mit Morra einen Freibauern auf d6 erspielen konnte, den sein Gegner nicht gut angreifen konnte und auch Denis kam mit Morra gut aus der Eröffnung und hatte aktives Spiel. Bei Raphael war die Stellung zunächst unklar, wodurch das Gesamtbild eher auf einen Favoritensieg deutete.

Ein zwei Stunden später war die Welt eine völlig andere, da sich einzelne Partien völlig gedreht hatten. Zunächst zu Ali: Nach einem zähen Kampf musste er schließlich die Waffen strecken, da sein Gegner ihn in Großmeistermanier langsam zusammengeschoben hat. Aber gegen den späteren Topscorer des Turniers zu verlieren, ist nicht allzu schlimm. Vitalys Gegner konnte sich in der Zwischenzeit ganz gut um den Freibauern herum entwickeln, weshalb es mittlerweile nach einem Remis aussah. Raphael musste einen Bauern abgeben und stand folglich schlechter, aber da noch viele Figuren auf dem Brett waren, gab es Chancen auf Gegenspiel. Nikolay hat es hingegen geschafft, die Partie komplett zu seinen Gunsten zu drehen, nachdem seine Mannschaftskameraden ihn schon als sichere Niederlage eingeplant hatten.

(Nikolays Verluststellung im 21. Zug)

Durch Unaufmerksamkeiten seines Gegners hatte er plötzlich gefährlichen Freibauern am Damenflügel, welche nicht mehr ohne Materialverlust aufzuhalten waren.        

(Nikolays Gewinnstellung im 30. Zug)

Das brachte seinen Gegner wortwörtlich zum Bluten. Max hat es indes geschafft, sich etwas aus seiner zurückgezogenen Stellung zu befreien und profitierte dann von einem einfachen Fehler seines Gegners. Er konnte einen Bauern gewinnen und hatte eine gewonnene Stellung, während sein Gegner nur noch mit Inkrement auf der Uhr spielen konnte. Denis konnte sein aktives Spiel nutzen, um Material zu gewinnen und erarbeitete sich ein einfaches Endspiel mit einer Mehrfigur. Somit war zu diesem Zeitpunkt mit drei Punkten an den Brettern 4 bis 6 zu rechnen und ein Remis war an den Brettern davor auch definitiv möglich. Bahnt sich hier wirklich ein Sieg gegen den Turnierfavoriten an?!

Raphael musste sich anschließend leider geschlagen geben, aber immerhin hat Nikolay nach seinem Eröffnungsschock, den Vorteil sicher verwertet. Auch Denis konnte gewinnen und somit stand es 2:2 mit Vorteil Brackel, da Vitaly eine remise Stellung hatte und Max eine Gewinnstellung.                         

(Max am Zug)

Allerdings wurde Max mit zunehmend weniger Zeit nervös und konnte keinen Gewinnweg identifizieren, wodurch er seinen Vorteil fast komplett verlor. Er schaffte es dennoch, mit einem vorteilhaften Endspiel über die 40 Züge Marke zu kommen. Vitaly trug währenddessen einen langen und zähen Kampf aus, allerdings änderte sich an der Remisprognose der Engine nie etwas, wie es oft ist, wenn zwei ungleichfarbige Läufer in einem Endspiel sind.

Es war also höchstspannend in diesem wichtigen Spiel, welches durchaus den Turnierverlauf stark beeinflussen könnte. Leider versagen die Nerven am Ende und nach einer Abwicklung kommt Max in ein kompliziertes Endspiel, bei dem er zwar zwei Bauern mehr hat, aber keinen Gewinn finden kann. Die Partie endet Remis.

An Brett 2 haben beide Spieler längst keine Zeit mehr, dennoch macht keiner einen spielentscheidenden Fehler und nach 90 Zügen einigt man sich auf ein Remis.

Am Ende steht nach einem Kampf mit vielen Höhen und Tiefen ein 3:3 mit dem Hamburg im Endeffekt gut leben kann. Trotz allem ein starkes Ausrufezeichen unseres Teams, welches sich hiermit ganz klar für den Titelkampf angemeldet hat.

  • 24. Juli 2022. Nach der zweiten Nacht werden langsam die negativen Folgen deutlich, die kleine Jugendherbergszimmer mit sich bringen. In dieser Nacht hat es Max erwischt, der mitten in der Nacht durch das röhrende Schnarchen von Nikolay aufwachte, nicht mehr einschlafen konnte, und schließlich ins Fitnessstudio geflüchtet ist. Immerhin hat er es im Gegensatz zum restlichen Team geschafft, rechtzeitig zu frühstücken. Ein Großteil des Brackeler Teams hat sich sein Frühstück nämlich immer mit zum Brett genommen. Das hat die Aufmerksamkeit der Turnierleitung auf sich gezogen, welche im Laufe des Turniers immer wieder vergeblich versuchte, das Brettbuffet zu unterbinden.

Aber genug zur ungewöhnlichen Morgenroutine unseres Teams, es gibt immer noch einen Titel zu gewinnen. Die dritte Runde gegen SK Langen steht an. Eigentlich ist die Favoritenrolle wieder mehr als klar zugunsten von Brackel verteilt, allerdings konnte Langen in der ersten Runde mit einem Sieg über Uelzen bereits für eine Überraschung sorgen, also war Vorsicht geboten. In dieser Runde setzte Denis für uns aus. Es kam zu folgender Aufstellung:

SF Brackel (2071) – SK Langen (1724)
Ali Elier (2158) – Jannik Eurich (2047)
Vitaly Garbuz (2098) – Jonas Renk (1731)
Raphael Kracht (2099): Maja Buchholz (1938)
Nikolay Kartsev (2098) – Liam Kürschner (1743)
Max Bartelt (2025) – Jan Koholka (1602)
Erdogan Seref (2012) – Simon Riegel (1285)

Ein Sieg war fest eingeplant und das Team hat sich zudem vorgenommen, im Vergleich zur ersten Runde souveräner zu agieren. Der lybische Nationalspieler Ali hatte den im Verhältnis ebenbürtigsten Gegner und hat sich mit diesem recht schnell auf ein Remis durch dreimalige Stellungswiederholung geeinigt. Vitaly und Raphael konnten ihrerseits stabile Siege einfahren, bei denen nie wirkliche Gefahr bestand, dass sie ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden würden. Nikolay konnte in Zusammenarbeit mit Fabian in der Vorbereitung die Schwächen des Gegners identifizieren und überspielte ihn dann mit dem „Killer-Dutch“ (1. c4 f5!).

(weiß am Zug)

Max war nach der Eröffnung in einer sehr ausgeglichenen Stellung, konnte dann langsam aber sicher einen gewinnbringenden Vorteil erspielen, welchen er aufgrund von Konzentrationsfehlern leider nicht verwerten konnte. Die Partie endete Remis. Am achten Brett spielte Erdogan erneut gegen einen 800 DWZ-Punkte schwächeren Gegner, aber dieses Mal spielte er solider als in der ersten Runde und brachte den Sieg nach Hause.
Eine deutlich ereignisärmere Runde als die davor, aber aus Brackeler Sicht kann man damit sehr zufrieden sein, da am Ende der 5:1 Sieg steht. Nach so einer Morgenrunde kann man das Mittagessen diesmal auch entspannt genießen.

Vor der 4. Runde stehen wir geteilt mit Hamburg auf Platz 2. Nur Porz führt die Tabelle allein mit 6 Mannschaftspunkten an. Die zweitgesetzten Kölner müssen jetzt aber gegen die topgesetzten Hamburger ran, während uns mit Karlsruhe ein vergleichsweise schlagbarer, wenn auch gefährlicher Gegner zugelost wurde. Unsere Chance also, um an die Spitze vorzustoßen. Vor der Runde entschieden wir uns Max aussetzen zu lassen, somit haben unsere vier hinteren Bretter alle einmal ausgesetzt. Die Paarungen sehen folgendermaßen aus:

SF Brackel (2071) – Karlsruher SF 1853 (2033)
Ali Elier (2158) – Lukas Koll (2140)
Vitaly Garbuz (2098) – Simon Fidlin (2118)
Raphael Kracht (2099) – Linus Koll (2062)
Nikolay Kartsev (2089) – Leon Wegmer (2022)
Denis Skabs (2015) – Xinyuan Wang (1975)
Erdogan Seref (2012) – Maxim Kravstsov (1881)

Wir nahmen uns fest vor, die Begegnung konzentriert anzugehen, um nicht (wie mehrmals zuvor) nach einem frühen Erfolg gegen Hamburg gegen schwächer eingestufte Mannschaften einzubrechen. Anfangs zeichnete sich ein knapper Kampf ab, die Gegner aus Karlsruhe kamen gut vorbereitet ans Brett. Das musste unter anderem Vitaliy feststellen, dessen Gegner sich speziell gegen das Morra-Gambit vorbereitet hat und schnell eine komfortable Stellung erreichte. Gute Nachrichten hingegen erreichten uns von Brett 6, Erdogan hat schnell seine leicht bessere Stellung in ein gewonnenes Endspiel verwandelt, indem er durch eine Raffinesse einen Bauern erbeuten konnte. Am Brett nebenan fand sich Denis nach der Eröffnung dagegen schnell in einer schlechten Stellung wieder. Während Nikolay anfing, seine ausgeglichene Stellung zu kneten, brachte uns Raphael in Führung. Der Gegner war bis in den fünfzehnten Zug vorbereitet, drei Züge später war seine Stellung bereits verloren. Kurz danach bot Ali in leicht schlechterer Stellung klug Remis, was der Gegner in Anbetracht der eigenen Zeitnot auch annahm. 1,5-0,5 klingt erstmal ganz gut. Erdogan hat mittlerweile auch einen zweiten Bauern gewonnen, nur um ihn kurz später wieder herzuschenken. Trotz der kleinen Unsicherheit konnte er das Endspiel danach souverän verwerten und die Partie für sich entscheiden. Am Nachbarbrett schaffte Denis es, seinen Gegner auszutricksen und doch noch ein Remis zu erreichen, während Nikolay durch einen starken Bauerndurchbruch sogar den vollen Punkt holen konnte.  

(Nikolay am Zug spielt g4!)

4-1. Vitaly versuchte bis zuletzt sein verlorenes Endspiel zu verteidigen, leider erfolglos. Am Ende steht ein hart erkämpfter und schlussendlich verdienter 4-2 Erfolg gegen die Karlsruher. Da Hamburg Porz knapp schlagen konnte, stehen wir nach der 4.Runde mit den Hamburgern geteilt auf dem ersten Platz und können uns beste Chancen auf einen der oberen Plätze ausrechnen.
Am nächsten Tag steht mit dem NRW-Duell gegen das starke Porz ein wegweisender Mannschaftskampf für den weiteren Turnierverlauf an.

  • 25. Juli 2022. Nachdem man die letzten beiden direkten Duelle gegen Porz gewinnen konnte, gehen wir zwar mit Respekt, aber auch viel Selbstbewusstsein in die 5. Runde. Bei uns setzt in dieser Runde wieder Erdogan aus, was zu folgender Aufstellung führt:

SF Brackel (2071) – SG Porz (2150)
Ali Elier (2158) – FM Alexander Suvorov (2349)
Vitaly Garbuz (2098) – FM Luca Suvorov (2263)
Raphael Kracht (2099) – Jonas Gallasch (2126)
Nikolay Kartsev (2098) – Laurin Perkampus (2075)
Max Bartelt (2025) – Borna Mohammadi Nia (2092)
Denis Skabs (2015) – Robin Gallasch (1992)

Kurz vor Rundenbeginn sah alles nach einem normalen Anfang aus, bis Max stellvertretend für die gesamte Brackeler Mannschaft einen riesigen Arizona-Eistee Kanister auf den Tisch knallte. Man sollte anmerken, dass es bei solchen Meisterschaften allgemein bekannt ist, dass unser Gegner Robin Gallasch zur Stärkung immer eine 1.5 Liter Arizona Flasche mit ans Brett bringt. Um uns einen psychologischen Vorteil zu verschaffen, wurde im Vorfeld der Meisterschaft ein weitaus größerer und mächtigerer Kanister organisiert. Die Aktion hat Wirkung gezeigt. Sekunden vor dem Start der Partien waren die Porzer Spieler, insbesondere Robin Gallasch, sichtlich geschockt.

Dann ging es mit dem Schachlichen los. Ali hat sich am Abend zuvor intensiv vorbereitet und kam mit dem Belgrader Gambit gut in die Partie. Auch Vitaly hat sich am Abend zuvor eine aktive Variante angeschaut, bei der er mit Schwarz einen Bauern abgibt, dafür aber die Initiative erhält. Raphael konnte durch erfolgreiche Eröffnungsvorbereitung schnell einen Vorteil gegen die Caro-Kann Verteidigung erreichen und hatte schon zum 20. Zug eine Qualität mehr. Nikolay und Denis eröffneten beide mit dem altbekannten Killer-Dutch, den Fabian intensiv mit den beiden vorbereitet hat. Bei Denis hatte dieser zu Beginn mehr Erfolg, da er schnell einen Mehrbauern hatte, während Nikolay mit seiner schwachen Bauernstruktur zu hadern hatte. Max konnte seinen Gegner in eine Art Französisch-Vorstoß Variante lenken, bei der sich der Schwarzspieler allerdings schon mit h6 schwächen musste. Alles in allem sah es gut aus für unsere Spieler, doch die Hamburger standen parallel gegen Bochum gut, weshalb wir weiter hochkonzentriert spielen mussten.

Einige Zeit ist vergangen und bei den Partien hat sich viel getan. Ali einigte sich mit seinem nominell stärkeren Gegner auf ein Remis, was durchaus im Sinne unserer Mannschaft ist. Raphael konnte seinen Vorteil aus der Eröffnung ins Ziel bringen und hat gewonnen, während Nikolay seine ungeordnete Stellung nicht verteidigen konnte und schließlich verlor. 1.5:1.5 ist der Spielstand. Denis hat zwischenzeitlich seinen Vorteil an Brett 6 etwas verspielt und kämpfte mit weniger Bauern im Turm-Läufer gegen Turm-Läufer Endspiel um das Remis.

(Denis am Zug)

 Max konnte einen gefährlichen Angriff auf den König des Gegners starten und stand auf Gewinn.

(Max am Zug)

Vitaly hatte eine leicht schlechtere Position und bot Remis an. Da die Stellungen an den verbleibenden Brettern insgesamt eher zugunsten von Brackel standen, lehnte sein Gegner trotz akuter Zeitnot ab. Das sollte ihm allerdings zum Verhängnis werden, da er wenig später in komplizierter Stellung Fehler machte.

 (nach Dg4 spielte Vitaly Le2 und weiß kann nicht mehr ohne Materialverlust Lf3 und somit tödlichen Angriff auf g2 verhindern.)

Diese nutzte Vitaly eiskalt aus, sodass es 2.5:1.5 für Brackel stand. Somit hing es an Max und Denis den Sieg in Stein zu meißeln. Das sollte tatsächlich nicht allzu lange dauern, da Max dieses Mal die Nerven behielt und das Spiel gewinnen konnte. Somit stand es 3.5:1.5 und der Sieg stand fest. Zum Abschluss schaffte es auch Denis seine Partie Remis zu halten und beschenkte sich damit selbst zum 18. Geburtstag, welchen er an diesem Tag feiern durfte. Das Endergebnis gegen den Zweitgesetzten des Turniers war also ein 4:2 Sieg für uns! Somit war auch diese Runde ein voller Erfolg und man konnte mit Hamburg mitziehen, welche gegen Bochum ebenfalls mit 4:2 gewinnen konnten. Laut Feinwertung stehen wir zu diesem Zeitpunkt hinter Hamburg, aber jeder Schachspieler weiß, wie schnell sich so eine Feinwertung drehen kann. Somit haben wir noch beste Titelchancen, solange wir unsere Hausaufgaben machen würden.

Die Auslosung der sechsten Runde überraschte uns dann doch etwas, da wir schon fest damit gerechnet hatten gegen den ewigen Rivalen aus Bochum zu spielen, aber das musste warten. Stattdessen bekamen wir es mit dem SK Lehrte zu tun, welcher in einer vorherigen Runde bereits 6:0 von Hamburg niedergemetzelt wurde. Folglich waren wir in der Pflicht zu gewinnen, wenn es noch etwas mit dem Titel werden sollte.

Geburtstagskind Denis setzte aus und so versammelten sich folgende Spieler um 15.30 Uhr am Brett:

SF Brackel (2071) – SK Lehrte (2050)
Ali Elier (2158) – FM Nico Stelmaszyk (2276)
Vitaly Garbuz (2098) – Thore Meiwes (2091)
Raphael Kracht (2099) – Jonas Dornieden (2038)
Nikolay Kartsev (2098) – Philip Reimer (2088)
Max Bartelt (2025) – Anton Weigand (1960)
Erdogan Seref (2012) – Jannik Kieselbach (1939)

Von den Zahlen her ein sehr ausgeglichener Kampf, also konnten wir nicht davon ausgehen das 6:0 von Hamburg zu wiederholen. Aber solange am Ende der Mannschaftssieg steht, wäre das auch zweitrangig.

Ali bekam Alapin aufs Brett und hatte in der Eröffnung zunächst einen Bauern weniger, aber dafür reichlich Kompensation, deshalb sah es fürs Erste in Ordnung aus. Vitaly war schon fertig bevor andere den 10. Zug gezogen hatten, da er im Londoner System mit seinem Gegner eine dreimalige Stellungswiederholung auf dem Brett hatte.   

(Da4 Ld7/Dd1 Lc8…)

 Mit diesem Ergebnis schienen zu dem Zeitpunkt beide Teams zufrieden, es war ja auch noch so gut wie nichts passiert. Raphael bekam, genau wie Ali, Alapin aufs Brett, hatte dann das Läuferpaar und versuchte damit gegnerische Schwächen zu attackieren. Nikolays Gegner hat sich tief vorbereitet und konnte gegen den klassischen Sizilianer eine sehr gute Stellung erreichen. Am Nachbarbrett wurde Max früh aus seiner gewohnten Eröffnung in eine Nebenvariante gelenkt und schnell befanden sich beide Spieler in einer für sie unbekannten Stellung, bei der es schwierig war vorherzusehen, wer sich einen Vorteil erspielen kann. Erdogan fand sich nach einem großen Abtausch in der Eröffnung in einem sehr ausgeglichenem Mittelspiel wieder, wo es sehr schwer werden würde, zu gewinnen.

Wir merkten schnell, dass dies kein einfacher Sieg werden würde, und wir viel zu kämpfen hatten.

Ali nahm den Lehrtern dann etwas den Wind aus den Segeln, indem er gegen ihr Spitzenbrett remisierte und damit sein viertes Remis in Folge sicherte. An Brett 3 konnten sich in der Zwischenzeit weder Raphael noch sein Gegner einen Vorteil sichern und die Partie endete ebenfalls Remis. So stand es 1.5:1.5 und uns gingen langsam die Bretter aus, an denen wir den Kampf entscheiden konnten.  Nikolay schaffte es, sich taktisch aus der schlechten Stellung zu befreien. Jetzt musste er allerdings ein unangenehmes Endspiel verteidigen.  

(Weiß am Zug)

Ein Sieg von ihm schien nahezu ausgeschlossen, es wäre ein Erfolg, wenn er noch ein Remis retten würde. Also lag es an Max und Erdogan, den Kampf doch noch für Brackel zu entscheiden. Max hat sich in der Zwischenzeit durch Ungenauigkeiten seines Gegners einen Bauern sichern können, aber die Stellung war noch lange kein sicherer Sieg, außerdem hatte er fast keine Zeit mehr.

 (Max am Zug)

Erdogan spielte in der Zeit eine totremise Stellung auf Anweisung des Mannschaftsführers weiter, da es für das Team turnierentscheidend sein könnte, wenn sein Gegner doch noch patzt.

(Erdogan am Zug)

Doch es kam zu keinem Patzer und so endete die Partie wenig später Remis, als auch der letzte mögliche Durchbruch blockiert war.

Es stand also nach vier Remisen 2:2 und da Hamburg einen Tisch weiter den FC Ergolding zur Strecke brachte, war Nikolay und Max bewusst, dass es an ihnen hing, die Titelhoffnungen am Leben zu halten. Den ersten wichtigen Schritt dahin machte Max, welcher erst einen Springer gewann, da sein Gegner den freien a-Bauern anders nicht stoppen konnte und anschließend die Partie sauber runterspielte, sodass wir 3:2 in Führung gingen.

Alles hing an Nikolay, der unbedingt sein schlechtes Endspiel halten musste. Er gab einen seiner Türme für den Läufer und einen Bauern ab und schwächte damit den gegnerischen Bauernverbund. Trotzdem hatte sein Gegner einen Bauern mehr und war gewillt diesen umzuwandeln.

(Nikolay am Zug)

Spät am Abend werden wir nach langem Kampf dann doch erlöst, vor versammelter Brackeler Mannschaft schütteln sich die Spieler die Hände zum Remis. Mit fünf Remisen und einem Sieg erinnert dieser Mannschaftskampf eher an die Schachbundesliga, als an ein U20-Turnier.

Kurz vor Ende des Turniers kann man auch das erste Mal einen Blick zurückwerfen. Bis hierhin war es ein außergewöhnlich starkes Turnier unserer Mannschaft und nicht umsonst waren wir bereits nach 6 Runden sicher Zweitplatzierter, was jetzt schon die beste Vereinsleistung seit 13 Jahren bedeutet. Ein Blick auf die Tabelle zeigt die bisherige Machtdemonstration von Hamburg und Brackel, welche jeweils mit 5 Siegen und einem Unentschieden glänzen konnten. Platz 3 und 4 waren nach Runde 6 Porz und Bochum mit je vier Siegen und zwei Niederlagen, folglich konnten uns diese Teams nicht mehr einholen. Dieser Teilerfolg wurde im Hafen von Kiel dann kurz mit einem Matrosenbier gefeiert, wo wir auch unsere Gegner für die letzte Runde trafen. SG Bochum.

Denn so schön wie das alles bis hierhin war, vorbei war es noch nicht. Wir hatten trotz schlechterer Feinwertung durchaus realistische Chancen auf den Deutschen U20 Vereinsmeistertitel. Dafür mussten wir Bochum im Ruhrderby mindestens 5:1 weghauen und auf Schützenhilfe von anderen Tischen hoffen. Dass wir unseren Teil auf jeden Fall erledigen können, haben wir bereits im Oktober 2021 gezeigt, bei der Qualifikation für diese DVM. Dort schafften wir es Bochum 5.5:0.5 zu vernichten und das sogar ohne Ali. Das alles bedeutet, dass wir eine lange Vorbereitung vor uns hatten. Wir versuchten genau zu ermitteln, welcher unserer Spieler gegen welchen Gegner antreten sollte. Einer der Vorteile, wenn man mit sieben Spielern anreist.  Viel Schlaf bekommen wir am Ende nicht, aber auf jeden Fall genug, um die letzte Runde voll konzentriert zu spielen.

  • 26. Juli 2022. An diesem Tag ist Brackel Fan Nummer 1 von Karlsruhe, die gegen Hamburg kämpfen mussten. Wir selbst konnten etwas befreit aufspielen, weil wir nichts zu verlieren hatten. Wenn überhaupt können wir nur einen Titel gewinnen!

In Folge der intensiven Beratung am Vortag ließen wir Nikolay für dieses Spiel an der Seitenlinie, deshalb kam es zu folgender Aufstellung:

SF Brackel (2071 DWZ) -SG Bochum (2081)
Ali Elier (2158) – Paul-Luca Wübker (2148)
Vitaly Garbuz (2098) – Lenhard Biermann (2097)
Raphael Kracht (2099) – Florian Biermann (2121)
Max Bartelt (2025) – Robert Prieb (2105)
Denis Skabs (2015) – Christian Gluma (2103)
Erdogan Seref (2012) – Vincent Klugstedt (1913)

Zwei Teams ohne echten Starspieler, aber dafür mit einer starken Kaderbreite, trafen aufeinander, man durfte mit vielen engen Partien rechnen. Ali eröffnete mit einer Freestyle Eröffnung, die in dieser Form wohl noch in keiner Datenbank vertreten war. Besonders gut ist diese Neuerung wohl nicht gewesen, da Ali bereits nach 14. Zügen eine ziemlich schlechte Position hatte.

(Ali am Zug)

Vitaly und sein Gegner duellierten sich, wie so oft, in der Tarrasch-Variante des Franzosen. Raphael wiederum beging einige Ungenauigkeiten in der Eröffnung und stand auch schon früh sehr schlecht. Das einzige Brett, wo die gestrige Vorbereitung wirklich Früchte trug, ist Brett 4 mit Max, welcher gegen den zukünftigen Brackeler Robert Prieb bereits nach 15 Zügen auf Gewinn stand und auch sehr schnell den ersten Punkt holen konnte.

(Max am Zug spielt Dxd7 und gewinnt)

Somit steht es früh 1:0, die Euphorie hält sich allerdings in Grenzen, da Erdogan seine Stellung in der symmetrischen Englisch Variante früh überstreckt und schnell in Schwierigkeiten geriet.

Wenig später sah es auf den Brettern ziemlich schrecklich aus. Ali, Raphael, Denis und Erdogan standen deutlich schlechter, nur Vitaly stand in Ordnung. Um das Turnier trotzdem ungeschlagen zu beenden, musste einiges passieren. Den Titel konnten wir zu dem Zeitpunkt schon im Grunde vergessen, weil Hamburg nebenan leider die gewohnte Souveränität zeigte.

Aber wir wären nicht so weit gekommen, wenn wir uns nicht zurückkämpfen könnten und so drehten sich einige Partien nochmal zum Besseren. Vitaly und Raphael waren fertig, beide hatten Remis gespielt, was vor allem bei Raphaels katastrophalem Anfang, als Erfolg zu bewerten ist. Somit steht es erstmal 2:1 für uns. Ali hat es aus einer völlig verlorenen Stellung in eine leicht schlechtere geschafft, daher besteht durchaus Hoffnung für ein Remis oder sogar noch mehr.

(Zug 36, Ali) (Zug 41, weiß)

Denis musste parallel in einem Endspiel mit Minusbauern gegen das Läuferpaar spielen, folglich stand er klar schlechter, aber kämpfte weiter. Erdogan hat einige strategische Fehler gemacht und war deshalb völlig unterentwickelt. Die Figuren des Gegners hatten freies Spiel und Erdogan wurde chancenlos überrannt. 2:2.

Ali schaffte es anschließend in beidseitiger Zeitnot, das Endspiel zum Remis abzuwickeln und beendet das Turnier mit seinem fünften Remis in Folge. Es spielte nur noch Denis, welcher keine Chance auf einen Sieg hatte, also würde uns Hamburg doch noch in der letzten Runde davonlaufen und muss nicht auf die Feinwertung vertrauen. Am Ende schaffte es Denis dann doch und rettete irgendwie ein Remis. Unser letzter Kampf geht 3:3 aus, damit haben wir es immerhin geschafft, ungeschlagen durch diese DVM zu gehen!

Alles in allem ein toller Erfolg dank einer starken und geschlossenen Teamleistung, bemerkenswerten Einzelleistungen und einer unschlagbaren Vorbereitung durch Fabian! Somit war auch das Team nicht niedergeschlagen, sondern zufrieden mit dem was geleistet wurde und motiviert, im Dezember das nächste Mal den Titel anzugreifen.

Das Ergebnis nach 7 Runden sieht folgendermaßen aus:

  1. Platz: Hamburger SK; 13 Mannschaftspunkte
  2. Platz: SF Brackel; 12 Mannschaftspunkte
  3. Platz: SG Porz; 10 Mannschaftspunkte

Herzlichen Glückwunsch an Hamburg für den Titelgewinn und Porz für Bronze!

Einzelergebnisse: 

Ali Elier 2,5/7
Vitaliy Garbuz: 4,5/7
Raphael Kracht: 5/7
Nikolay Kartsev: 3,5/5
Max Bartelt: 5/6
Denis Skabs: 3,5/5
Erdogan Seref: 3,5/5